„Wir müssen das Allgemeinwohl wieder in den Mittelpunkt stellen“
Rund 300 Bürgerinnen und Bürgern folgten der Einladung der Gemeinde Kressbronn a. B. und fanden sich zum Neujahrsempfang in der Festhalle ein. Höhepunkt des Abends war die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Petra Sachs-Gleich für ihr außerordentliches Engagement zum Wohle der Gemeinde Kressbronn a. B. Gemeinderat Klaus Klawitter begrüßte die Anwesenden und Pfarrer Ulrich Adt ging in seinem geistlichen Grußwort auf die Nächstenliebe ein. Landrat Luca Wilhelm Prayon richtete das Grußwort des Bodenseekreises an die Gemeinde. Er betonte, dass man trotz der vielen negativen Nachrichten motiviert und positiv auf das neue Jahr schauen sollte und lobte in diesem Zusammenhang die Gemeinschaft und das Engagement im Bodenseekreis. Umrahmt wurde das Programm durch die Betznauer Boygroup, die zur Freude aller für diesen Abend extra Texte komponiert hatte.
Bürgermeister Daniel Enzensperger ging in seiner Ansprache auf kommunal-, landes- und bundespolitische Themen mit deutlichen Worten ein und machte klar: „So kann eine Gesellschaft auf Dauer nicht funktionieren. Wir müssen uns wieder auf das Wesentliche konzentrieren – auf das, was machbar und finanzierbar ist“ und fügte ergänzend hinzu: „Wir müssen das Allgemeinwohl wieder in den Mittelpunkt stellen.“ Er betonte, dass die Gemeinde immer mehr Aufgaben übernehme. Dies müsse jedoch auch irgendjemand bezahlen, Fachkräfte seien ohnehin schon Mangelware. „Es muss endlich Schluss damit sein, dass Bund und Land den Menschen Versprechungen machen, die dann die Gemeinden umsetzen und auch noch bezahlen müssen“, richtete er seinen Appell vor allem an die Parlamentsabgeordneten. Politische Versprechen zu machen ohne Rücksprache mit den Kommunen und sie dann nicht zu erfüllen würde zu Politikverdrossenheit führen und die Wählerinnen und Wähler zu links- und rechtspopulistischen Parteien führen. „Dies gefährdet unsere Demokratie massiv“, warnet er.
Auch auf die Probleme in der Flüchtlingspolitik ging Bürgermeister Enzenspreger ein. „Wir haben eine Willkommenskultur. Aber wir schaffen das nicht mehr. Wir sind personell, finanziell und materiell an der Belastungsgrenze. Die Stimmung in der Bevölkerung kippt. Ich erwarte, dass die Gemeinden künftig von den Kosten für die Unterbringung vollständig befreit werden“, appellierte er in Richtung Bundesregierung. „Wir sind an der Kapazitätsgrenze angelangt. Besonders in der Bodenseeregion ist Wohnraum knapp und teuer. Wir wissen nicht mehr, wo wir die Menschen unterbringen sollen“, ergänzte er und machte darauf aufmerksam, dass es mit der Unterbringung allein nicht erledigt sei. Die Menschen müssten auch betreut und integriert werden. Das sei ohne Personal und ohne Ehrenamtliche nicht möglich.
Ebenfalls ließ es sich Bürgermeister Enzensperger nicht nehmen, in seiner Ansprache auf die aktuelle Situation in der Landwirtschaft einzugehen. „Unsere Landwirtschaft hat eine lange Tradition. Sie ernähren uns und pflegen zugleich unsere schöne Landschaft. Sie benötigen unsere volle Unterstützung damit sie sich um ihre gesellschaftlich wichtigen Aufgaben kümmern können.“ Mit diesen Worten stellte er sich hinter die Kressbronner Landwirte und bezog Stellung zur zunehmenden Bürokratie, zu den Mindestlöhnen und zu den Einschränkungen für die Landwirtschaft, die die Wirtschaftlichkeit der Berufsausübung immer mehr in Frage stelle.
Nicht fehlen durfte selbstverständlich der kommunalpolitische Rückblick und Ausblick. So betonte Enzensperger, dass der Schwerpunkt nach wie vor auf der Bildung liege, was die Sanierung des Bildungszentrums Parkschule zeige. Mit Abschluss der Sanierungsmaßnahme werde die Gemeinde rund 7,5 Mio. Euro investiert haben. Auch ging er auf die Realisierung des Baugebiets „Bachtobel“, Klimaschutz und die kommunalen Finanzen ein. In den nächsten fünf Jahren plane die Gemeinde mit einem Investitionsvolumen vom 50,2 Millionen Euro im Kernhaushalt sowie mit 46,8 Millionen Euro in den Eigenbetrieben. „Macht zusammen 97 Millionen Euro bis 2027. Das ist eine große Herausforderung“, betonte er, wobei der Bau des Kinder- und Familienzentrums der größte Meilenstein sei. Mit rund 16 Millionen Euro gehöre das Projekt zu den teuersten in der Geschichte Kressbronns: „Aber mit einer fünfköpfigen Kinderbetreuungseinrichtung, dem Familientreff, dem Gemeindearchiv und zwölf Mietwohnungen werden hier mehrere Projekte vereint, die ein sinnvolles Ganzes bilden.“
Petra Sachs-Gleich erhält die Ehrenbürgerschaft
In Würdigung ihrer außergewöhnlichen und weit überdurchschnittlichen Leistungen, in Anerkennung ihrer herausragenden Verdienste um die Gemeinde Kressbronn am Bodensee und das Allgemeinwohl, hat der Gemeinderat am 22. November 2023 in nichtöffentlicher Sitzung einstimmig beschlossen, Petra Sachs-Gleich das Ehrenbürgerrecht zu verleihen. Diese Verleihung fand in würdigem Rahmen am Neujahrsempfang 2024 statt. Bürgermeister Daniel Enzensperger hob in seiner Rede hervor, dass sich Petra Sachs-Gleich seit Jahrzehnten mit außerordentlichem Engagement dafür einsetze, die Geschichte Kressbronns aufzuarbeiten und zugänglich zu machen. Die wissenschaftliche Fundiertheit ihrer Arbeit, die nahezu unermüdliche Tatkraft, die vollkommene Ehrenamtlichkeit und die enge Verbundenheit mit der Gemeinde seien Anlass genug, ihr eine gemeindliche Ehrung von ganz besonderer Bedeutung zu verleihen.
Der Schwerpunkt der ehrenamtlichen Arbeit von Petra Sachs-Gleich liege bei der Ortsgeschichte und der Kultur. Als langjähriges Mitglied der Kressbronner Kulturgemeinschaft würde sie sich für die Kultur im Ort seit Jahrzehnten einsetzen. Ihrer Profession entsprechend habe ihre besondere Aufmerksamkeit aber immer der Ortsgeschichte gehört. Petra Sachs-Gleich habe sich schon früh dem Kressbronner Archiv angenommen, das bei der Gemeindeverwaltung bis dahin etwas vernachlässigt gewesen sei. Sie habe das Archiv neu geordnet, habe es lange Zeit betreut und somit wichtige Grundlagen für die spätere Erstellung der Findbücher zu den Vorgängergemeinden Hemigkofen und Nonnenbach gelegt.
Besonders betonte Enzensperger ihr außergewöhnliches Engagement für die Hofanlage Milz im Kressbronner Teilort Retterschen. Petra Sachs-Gleich sei es nämlich gewesen, die nach dem Tod der letzten Bewohnerin Theresia Milz auf Bürgermeister Edwin Weiß zugegangen sei und sich beharrlich dafür eingesetzt habe, dass der Bauern- und Schultheißenhof von der Gemeinde erworben und als Denkmal für das frühere bäuerliche Landleben in der Region geschichtsdidaktisch aufbereitet worden sei. Ohne Petra Sachs-Gleich würde es dieses heute im Denkmalbuch für Baden-Württemberg eingetragene Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung wahrscheinlich nicht mehr geben oder nicht in dieser Form.
Leben und Werdegang von Petra Sachs-Gleich
Petra Sachs-Gleich wurde am 11. Oktober 1956 als Tochter von Alfons und Anneliese Sachs in Tettnang geboren und ist in Kressbronn am Bodensee aufgewachsen. Sie besuchte die Nonnenbachschule von 1963 bis 1967 und wechselte anschließend an das Mädchengymnasium in Lindau, das sie 1976 mit dem Abitur als Allgemeiner Hochschulreife abschloss. Unmittelbar im Anschluss begann sie an der Universität Konstanz ein Studium der Geschichte und der Germanistik. Sie erwarb 1981 den akademischen Grad eines Magister Artium und zusätzlich das Erste Staatsexamen. 1982 trat sie in den öffentlichen Dienst ein und wurde beim Landratsamt Bodenseekreis Archivarin. Gemeinsam mit dem ebenfalls aus Kressbronn a. B. stammenden Elmar L. Kuhn baute sie das Kreisarchiv und das Amt weit weiter auf. Man darf also durchaus betonen, dass Geschichts- und Kulturverwaltung des Bodenseekreises lange Zeit vollständig in Kressbronner Hand lagen. 1994 wechselte Petra Sachs-Gleich zur Großen Kreisstadt Wangen im Allgäu und wurde dort Stadtarchivarin. Die Tätigkeit übte sie bis 1998 aus
Dank der Ehrenbürgerin
Petra Sachs-Gleich nahm sichtlich berührt die Ehrenbürgerschaft an. „Nach unterschiedlichen Gefühlslagen, gewinnt schließlich eine Welle riesiger Freude die Oberhand, die ich nur schwer in die richtigen Worte fassen kann. Glückseligkeit mag es vielleicht am besten treffen. Und es stellt sich tief empfundene Dankbarkeit ein, die ebenfalls nur schwer zu beschreiben ist“, so die neue Ehrenbürgerin. Sich auf Spurensuche zu begeben, Spuren der eigenen Geschichte zu entdecken, zu lesen und zu begreifen, sie zum Sprechen zu bringen und vor allen Dingen, diese Spuren für nachfolgende Generationen zu bewahren, sei eine wunderbare Bereicherung und ein großartiger Zugewinn an Lebensqualität.
Nach dem offiziellen Teil fanden sich die Bürgerinnen und Bürger zum Austausch beim Buffet ein und ließen den Abend ausklingen.
Pressemitteilung vom 17.01.2024