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Starkregenrisikomanagement

In den vergangenen Jahren traten auch in Baden-Württemberg vermehrt Überflutungen auf, welche durch lokale Starkregenereignisse verursacht wurden. Auch in Zukunft ist auf Grund der Klimaerwärmung davon auszugehen, dass das Auftreten von extremen Niederschlagsereignissen zunehmen wird. Starkregenereignisse sind räumlich begrenzte Regenereignisse mit einer sehr hohen Niederschlagsmenge und Intensität. Da sie häufig nur von kurzer Dauer und sehr geringer räumlicher Ausdehnung sind, stellen sie ein sehr schwer zu kalkulierendes Risiko dar. Dazu kommt, dass Starkregen eine extrem kurze Vorwarnzeit und damit eine sehr unsichere Warnlage besitzt.

Starkregenereignisse können außerdem, anders als Hochwasserereignisse, abseits und völlig unabhängig von Gewässern auftreten. In Regionen mit starkem Gefälle kann es zu sogenannten Sturzfluten mit extrem hohen Strömungskräften kommen. Diese können große Mengen an Treibgut sowie erodiertem Material mit sich reißen. Dies sammelt sich häufig an Verdolungseinläufen, Verrohrungen, Brücken, Stegen, Zäunen oder Rechen, was dazu führt, dass der Abfluss des Wassers verhindert wird. Ein dadurch entstehender Rückstau kann zu Überflutungen des umliegenden Geländes führen. Neben Sturzfluten in Hanglagen kann es durch extreme Starkniederschläge jedoch auch zu Überschwemmungen in der Ebene kommen. Dabei können die Bemessungsgrenzen der Kanalnetze überschritten werden, was besonders in Senken zu Überflutungen führen kann.

Dass auch dieser Thematik eine große Bedeutung zugeschrieben werden sollte, zeigt ebenfalls ein Blick auf die Erfahrungen der Versicherungswirtschaft.  Daraus ergibt sich, dass neben den versicherten Überflutungsschäden, welche auf Grund von Hochwasser durch ausufernde Gewässer entstehen, ein vergleichbarer Anteil durch Starkregenereignisse verursacht wird.

2. Aufgabe der Gemeinde

Ein absoluter Schutz gegen die negativen Auswirkungen, die mit Starkregenereignissen einhergehen, ist nicht möglich. Das Gefährdungsrisiko sowie das Schadenspotenzial können allerdings durch geeignete Vorsorgemaßnahmen verringert werden. Das Land Baden-Württemberg bietet den Kommunen hierfür ein einheitliches Verfahren mit Informationen und Anleitungen zur Erstellung eines Starkregenrisikomanagement-Konzeptes. Dabei sollen Gefahren und Risiken analysiert und darauf aufbauend ein kommunales Handlungskonzept erstellt werden. Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am 23.02.2022 die Erstellung eines Starkregenrisikomanagement-Konzeptes und die Beauftragung des Ingenieurbüros Breinlinger beschlossen. Ein kommunales Starkregenrisikomanagement-Konzept besteht im ersten Schritt aus der Erstellung von Starkregengefahrenkarten, welche die Gefahren durch Überflutung infolge starker Abflussbildung auf der Geländeoberfläche nach Starkregen darstellen. Anhand derer ist eine Risikoanalyse der Überflutungsgefährdung zur Identifizierung von kritischen Objekten und Bereichen durchzuführen. Daraus resultierend soll ein Handlungskonzept erstellt werden, welches Maßnahmen darlegt, die starkregenbedingte Überflutungsschäden auf kommunaler Ebene verhindern bzw. vermindern sollen. Zwischenzeitlich hat das Ingenieurbüro in Zusammenarbeit mit der Gemeinde und dem Amt für Wasser und Bodenschutz des Landkreises Bodenseekreis intensiv an der Erstellung der Starkregengefahrenkarten sowie bereits an der Risikoanalyse und einem Handlungskonzept gearbeitet. Nun sollen in einem ersten Schritt die erarbeiteten Starkregengefahrenkarten vorgestellt werden.

3. Starkregengefahrenkarten

Grundlage des Starkregenrisikomanagements sind die Starkregengefahrenkarten. Diese wurden für die Gemeinde Kressbronn a. B. zwischenzeitlich erstellt.

a) Erstellung
Die Starkregengefahrenkarten basieren auf einer Vielzahl von Datengrundlagen, die der Berechnung zugrunde liegen. Dazu gehört beispielsweise das Geländemodell mit topographischen Daten, das vom Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg zur Verfügung gestellt wird. Darüber hinaus wurden an einzelnen Stellen der Bachverläufe zusätzliche Vermessungen durch das Ingenieurbüro durchgeführt. Die Ergebnisse sind in das Geländemodell eingeflossen. Eine weitere Datengrundlage ist die örtliche Kanalisation. Eine Berücksichtigung in der Hydraulik erfolgt durch einen prozentualen Abschlag der Dachflächen. Bei diesem Abschlag wird davon ausgegangen, dass diese Wassermenge von der Ortskanalisation bewältigt werden kann. Diese wurde jedoch nur für das seltene Ereignis berücksichtigt. Bei den anderen Szenarien wird generell davon ausgegangen, dass die Kanalisation keine Zuflüsse mehr aufnehmen kann. Berücksichtigt wurden zudem die Landnutzung, der Gebäudebestand, das Gewässernetz, die Altlastenkartierung und Erosionsflächen sowie der Flächennutzungsplan und die Bebauungspläne im Gemeindegebiet Kressbronn a. B. Die Gemeinde hat zudem, auch durch einen Aufruf im Amtsblatt, Bild- und Videomaterial gesammelt, welches als Datengrundlage, aber auch zur Plausibilisierung der Berechnungsergebnisse diente.

b) Inhalt
Die Starkregengefahrenkarten zeigen, welche Bereiche des Gemeindegebietes bei Starkregen besonders betroffen sind. Dargestellt werden die Überflutungsausdehnung sowie die potenziell zu erwartenden maximalen Wasserstände und Fließgeschwindigkeiten. Ähnlich wie bei den Hochwassergefahrenkarten (HQ10, HQ50, HQ100, HQExtrem) werden in den Starkregengefahrenkarten drei Abflussszenarien abgebildet:

  • Seltenes Ereignis
  • Außergewöhnliches Ereignis
  • Extremes Ereignis

Das außergewöhnliche Ereignis kann in etwa mit dem 100-jährlichen Hochwasserereignis verglichen werden und somit als Orientierung dienen. In den Downloads steht die aktuelle Starkregengefahrenkarte mit der maximalen Ausdehnung der Überflutung und der maximalen Überflutungstiefe für das außergewöhnliche Ereignis zur Verfügung.

4. Weiteres Vorgehen

Die Starkregengefahrenkarten dienen als Grundlage für die Risikoanalyse und das Handlungskonzept. Die Risikoanalyse wurde bereits durch das Ingenieurbüro Breinlinger erstellt und in den letzten Monaten in mehreren Workshops mit den wichtigsten Beteiligten (Gemeinde, Landratsamt, Feuerwehr, Wasserwerk, Kläranlage, DRK, THW, Versorger etc.) plausibilisiert. Auf dieser Basis wurde auch bereits ein Entwurf des Handlungskonzeptes erstellt. Die Unterlagen werden aktuell geprüft und ggf. nochmals überarbeitet. Anschließend erfolgt Ende 2024/Anfang 2025 die Übergabe aller Daten und Unterlagen an das Amt für Wasser- und Bodenschutz des Landratsamtes Bodenseekreis zur fachlichen Plausibilisierung sowie an die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg zur technischen Prüfung und Übernahme in den landesweiten Datenbestand.

Die Risikoanalyse und das Handlungskonzept werden dem Gemeinderat in einer weiteren Gemeinderatssitzung ausführlich vorgestellt. Im Anschluss daran soll im nächsten Jahr eine öffentliche Informationsveranstaltung stattfinden, bei der die Starkregengefahrenkarten nochmals der Öffentlichkeit vorgestellt werden und sich die Bürgerinnen und Bürger über das Thema Starkregen informieren können.

5. Auswirkungen auf die Gemeinde, private Eigentümer und Unternehmen

Da in der Gemeinde Kressbronn a. B. bisher noch kein Starkregenrisikomanagement existierte, stellt sich die Frage, welche Konsequenzen sich daraus sowohl für die Gemeinde als auch für die privaten Grundstücks- und Gebäudeeigentümer bzw. Unternehmen in Kressbronn a. B. ergeben.

a) Auswirkungen für die Gemeinde
Für die Gemeinde stellt sich insbesondere in Bezug auf das Handlungskonzept die Frage, ob für die darin vorgeschlagenen Maßnahmen eine Umsetzungspflicht besteht. Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg und das Land Baden-Württemberg vertreten hierzu die Position, dass es keine rechtliche Verpflichtung zur Umsetzung kommunaler Baumaßnahmen gibt. Gemäß § 72 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) fallen auch Überschwemmungen durch Grundwasser oder lokale Starkregenereignisse unter den Begriff des Hochwassers. Überschwemmungen infolge von Starkregenereignissen unterliegen damit der allgemeinen Sorgfaltspflicht nach § 5 Abs. 2 WHG. Danach ist jede Person, die durch Hochwasser betroffen sein kann, verpflichtet, im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren geeignete Vorsorgemaßnahmen zum Schutz vor nachteiligen Hochwasserfolgen und zur Schadensminderung zu treffen. Diese Pflicht trifft „jedermann“, d. h. alle natürlichen Personen, insbesondere Grundstückseigentümer, und juristische Personen, wie z. B. Gewerbebetriebe oder auch öffentliche Einrichtungen. Zu den kommunalen Maßnahmen gehören insbesondere die Informationsvorsorge, die kommunale Flächenvorsorge (Berücksichtigung der Belange des Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge), das kommunale Krisenmanagement (Erstellung und Fortschreibung von Alarm- und Einsatzplänen) und kommunale bauliche Maßnahmen. Eine rechtliche Verpflichtung oder ein Anspruch Dritter auf Umsetzung der kommunalen Maßnahmen des Handlungskonzeptes besteht jedoch nicht.

b) Auswirkungen für private Eigentümer und Unternehmen
Auch für private Eigentümer und Unternehmen gilt die allgemeine Sorgfaltspflicht und damit entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Darüber hinaus ist aber insbesondere für Gebäudeeigentümer das Thema Versicherung von großer Bedeutung. Bei Hochwasserereignissen haben einzelne stark betroffene Hauseigentümer bereits Probleme, eine Versicherung zu finden, die das entstandene Risiko abdeckt. Es stellt sich daher die berechtigte Frage, ob die Starkregengefahrenkarten einen Einfluss auf die Gebäudeversicherung haben werden. Diese Sorge der Hauseigentümer kann jedoch entkräftet werden. Durch wissenschaftliche Studien und Untersuchungen haben die Versicherer bereits in der Vergangenheit ein besseres Verständnis darüber erlangt, wo und wann Naturgefahren auftreten und welche Schäden sie verursachen. So hat der Gesamtverband der Versicherer bereits vor einigen Jahren in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst eine Untersuchung zum Thema Starkregen durchgeführt, die gezeigt hat, dass das Ausmaß von Starkregenschäden an Gebäuden stark von deren Lage abhängt. Außerdem wurde ermittelt, wo in Deutschland die meisten Gebäude stehen, die auf Grund ihrer geografischen Lage stark durch Starkregen gefährdet sind. Mit dem Geoinformationssystem „ZÜRS Geo“ können Versicherer für ihre Zwecke daher schon heute für jede Adresse in Deutschland das Starkregenrisiko ermitteln. Dieses Kartenmaterial steht nur den Versicherungsunternehmen zur Verfügung, ist nicht transparent und weder die Kommunen noch andere öffentliche Stellen wurden in den Erstellungsprozess eingebunden. Der Gesamtverband der Versicherer stellt auf seiner Homepage lediglich einen Hochwassercheck zur Verfügung, der das Hochwasser- und Starkregenrisiko für die angegebene Adresse anzeigt. Die Hintergründe des Ergebnisses werden jedoch nicht dargestellt. Beim Vergleich des dort angegebenen Starkregenrisikos mehrerer kommunaler Gebäude in Kressbronn a. B. mit den nun erstellten Starkregengefahrenkarten, lässt sich eine häufige Abweichung erkennen. Auf der Grundlage von nicht einsehbaren, intransparenten und nicht plausibilisierten Karten sind Hausbesitzer, die ihr Haus versichern wollen, somit bereits einer Bewertung durch die Versicherungsgesellschaften ausgesetzt.

Grundsätzlich sollten deshalb aus dem Starkregenrisikomanagement mehr die Vorteile betrachtet werden, da die Gefahren nun bekannt sind und geeignete Maßnahmen getroffen werden können.

Kurzüberblick

Ziel

Erstellung eines Starkregerisikomanagement-Konzeptes zur Analyse von Starkregengefahren und Ermittlung von Handlungsfeldern zur Beseitigung oder Reduzierung der Gefahren

Beschreibung

In Zukunft ist infolge der Klimaerwärmung mit einer Zunahme von extremen Niederschlagsereignissen zu rechnen. Aus diesem Grund hat sich die Gemeinde Kressbronn a. B. dazu entschieden, ein Starkregenrisiko-Konzept zur Analyse der Überflutungsflächen im Gemeindegebiet anzufertigen. Dabei sollen Gefahren und Risiken analysiert und darauf aufbauend ein kommunales Handlungskonzept erstellt werden.

Projektbeginn

2022

Projektende

2024

Beratungen im Gemeinderat

  • 23.02.2022 (Beauftragung des Ingenieurbüros Breinlinger zur Erstellung des Konzeptes)
  • 20.11.2024 (Sachstandsbericht, Vorstellung der Starkregengefahrenkarten)

Bürgerbeteiligung

Information

Kosten

ca. 190.000 €

Finanzierung

  • Eigenmittel der Gemeinde
  • Fördermittel des Landes (70 %)

Status

Konzept in Planung

Kontakt

Sachgebiet Öffentliche Straßen, Ver- und Entsorgung
Amt für Gemeindeentwicklung und Bauwesen
Gemeinde Kressbronn a. B.
Hauptstraße 19
88079 Kressbronn a. B.
07543 9662-36
tiefbau@kressbronn.de

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