Bereits seit dem Jahr 2002 ist der Biotopverbund im Naturschutzgesetz des Bundes verankert. In § 21 des Bundesnaturschutzgesetzes ist festgeschrieben, dass ein Netz verbundener Biotope geschaffen werden soll, welches mindestens 10 Prozent der Fläche eines jeden Landes umfassen soll. Das Land Baden-Württemberg hat für die Erreichung dieses Ziels im Jahr 2015 den Fachplan „Landesweiter Biotopverbund“ als Grundlage in das Naturschutzgesetz des Landes aufgenommen. Dadurch wurde sichergestellt, dass Planungen und Umsetzungen einheitlich erstellt und durchgeführt werden und auch überörtlich besser vereinbar waren.
Im Jahr 2019 reagierte die Landesregierung mit einem Eckpunktepapier auf das Volksbegehren „Rettet die Bienen“, welches von der Initiative „proBiene“ auf den Weg gebracht wurde. Anschließend wurde dieses von Vertretern der Politik, des Naturschutzes sowie der Landwirtschaft in einem Gesetzesentwurf ausgearbeitet.
Im Juli 2020 wurde die Gesetzesnovelle zur Biodiversität mit der Änderung des Naturschutzgesetzes und des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes vom Landtag verabschiedet (sog. Biodiversitätsstärkungsgesetz). Ein übergeordnetes Ziel davon ist die Stärkung der biologischen Vielfalt und damit der stufenweise Ausbau des Biotopverbunds. Dieser soll bis zum Jahr 2023 mindestens 10 Prozent, bis zum Jahr 2027 mindestens 13 Prozent und bis zum Jahr 2030 mindestens 15 Prozent Offenland der Landesfläche umfassen. Da die Umsetzung der Zielvorgaben auf die Fläche des ganzen Landes Baden-Württemberg bezogen ist, ergibt sich daraus allerdings, dass nicht jede Kommune auf ihrer Fläche dieses Ziel erreichen muss, sondern eine gesamtheitliche Betrachtung notwendig ist. Das ist die Folge davon, dass nicht jede Gemeinde auf ihrer Gemarkung dasselbe Potential zur Schaffung von Biotopen besitzt.
Durch die kontinuierliche Bebauung und den Ausbau von Straßen, Schienen oder auch Leitungstrassen sind etliche Lebensräume verloren gegangen oder wurden voneinander getrennt. Die Folge daraus ist die Entstehung von isolierten Einzelbiotopen, welche oft für das Überleben einzelner Arten zu klein sind. Tiere und Pflanzen haben nur erschwert oder gar nicht mehr die Möglichkeit zum Austausch zwischen den Gebieten. Das Resultat ist die Gefährdung etlicher Lebensgemeinschaften und der Verlust der biologischen Vielfalt.
Umso wichtiger ist es deshalb, die verbleibenden Lebensräume, so wie auch die bestehenden Vernetzungen zu schützen. Neben dem Erhalt existierender Biotope sowie deren Verbindungen, besteht allerdings auch das Ziel, funktionsfähige ökologische Wechselbeziehungen wieder herzustellen und weiter zu entwickeln. Dadurch sollen die unterschiedlichen Arten die Chance haben, sich wieder auszubreiten.
Die wichtigsten Bestandteile des Biotopverbundes sind somit die Kernflächen oder auch Kerngebiete als Dauerlebensräume für Tiere und Pflanzen, welche durch kleine und große Korridore, Trittsteine und Verbindungsflächen verbunden werden sollen.
Natur- und Landschaftsschutz sind wichtig und für die Erhaltung und Entfaltung der Arten von entscheidender Bedeutung. Allerdings kollidieren die Interessen von Natur- und Landschaftsschutz sehr oft mit den Interessen der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft hat in der Gemeinde eine starke Ausprägung und trägt mitunter zur Ernährung, zum Landschaftsbild und zur Landschaftspflege bei. Daher ist es wichtig, dass die Landwirtschaft in die Biotopverbundplanung intensiv eingebunden wird. Ziel muss es sein, möglichst eine einvernehmliche Lösung für die Umsetzung der Biotopverbundplanung mit den Belangen der Landwirtschaft zu finden.
Die Aufgabe der Gemeinden ist es, in einem ersten Schritt eine Grundlage in Form einer Biotopverbundplanung für ihre Gemarkung zu erstellen. Inhalt dieser Biotopverbundplanung soll ein auf den vorhandenen Datengrundlagen basierender Bestandsplan mit existierenden Biotopen und Biotopverbundelementen sein. Sie konzentriert sich dabei außerdem auf die verbundrelevanten, regionalspezifischen Zielarten. Darauf aufbauend soll die Biotopverbundplanung die Ausarbeitung eines Maßnahmenkonzeptes für die Sicherung und Verbesserung der bestehenden Biotope, aber auch gegebenenfalls die mögliche Erweiterung oder Neuschaffung von Lebensräumen beinhalten. Die anschließende Umsetzung des Konzepts ist für die Gemeinden derzeit nicht automatisch verpflichtend und soll maßgeblich über freiwillige Maßnahmen umgesetzt werden. Hierfür soll gleichzeitig in der Biotopverbundplanung ausgearbeitet werden, welche Maßnahmen priorisiert umgesetzt werden sollten. Der wichtigste Aspekt für die Umsetzung der Maßnahmen ist die Verfügbarkeit der Flächen. Neben der Umsetzung von Maßnahmen auf Flächen, welche bereits im Eigentum der Gemeinde stehen, sollen Maßnahmen außerdem beispielsweise durch Flächentausch, den Kauf von Flächen oder Flurneuordnungen möglich gemacht werden. Es soll in keinem Falle eine Enteignung der Eigentümer stattfinden.
Da die Planung und Umsetzung der Biotopverbundsplanung auf Grund der kollidierenden Belange von Natur- und Landschaftsschutz sowie der Landwirtschaft sich mitunter schwierig gestaltet und möglichst ein interessengerechter Ausgleich stattfinden soll, hat die Gemeinde beschlossen, einen Beirat für die Biotopsverbundplanung aus Vertretern des Gemeinderates und der verschiedenen Interessengruppen ins Leben zu rufen, der die vom Gemeinderat zu treffenden Entscheidungen vorberät. In diesen Beirat wurden folgende Mitglieder berufen:
Laut Landschaftserhaltungsverband (LEV) liegt der aktuell bereits bestehende Anteil des Biotopverbunds an der Offenlandfläche in der Gemeinde Kressbronn a. B. bei etwa 9 %. Hierbei handelt es sich allerdings um eine grobe Berechnung anhand der vorhandenen erfassten Daten. Die Gemeinde Kressbronn a. B. hat hierfür mit Beschluss des Gemeinderates vom 24.11.2021 das Fachbüro 365 Grad freiraum + umwelt zur Erstellung dieser Biotopverbundplanung beauftragt. In der Zwischenzeit hat das Fachbüro durch Sichtung aller vorliegenden Unterlagen und Begehungen im Gemeindegebiet eine Bestandsaufnahme in Kressbronn a. B. gemacht. Im nächsten Schritt wurde ein Konzept mit Maßnahmenvorschlägen erarbeitet. Dies wurde der Gemeindeverwaltung sowie dem temporären Beirat bereits präsentiert und deren Anregungen und Bedenken wurden eingearbeitet. Bei der öffentlichen Informationsveranstaltung am Montag, den 16.10.2023, wurde der Entwurf des Maßnahmenplans der Öffentlichkeit vorgestellt. Rund 70 interessierte Bürgerinnen und Bürger folgten der Einladung zu dieser Veranstaltung. Insbesondere Eigentümer von landwirtschaftlichen Flächen und Grünflächen informierten sich über das Thema. Anschließend wurde der Entwurf des Maßnahmenplans in einer weiteren Sitzung des temporären Beirats mit den Beiratsmitgliedern abgestimmt. Außerdem suchten einige Landwirte noch das Gespräch mit der Gemeinde. Dabei wurden nochmals viele Fragen und Unklarheiten geklärt. Es stellte sich heraus, dass die größten Unsicherheiten hinsichtlich der Freiwilligkeit der Maßnahmenumsetzung und der Wiederaufnahme der landwirtschaftlichen Nutzung auf einer Fläche nach der Umsetzung einer Maßnahme bestehen. Hierzu wurde auf die bestehenden Rechtsgrundlagen im Bundes- und Landesnaturschutzgesetz sowie auf das Schreiben des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft vom 09.09.2022 zur Freiwilligkeit der Maßnahmenumsetzung im Ausbau des landesweiten Biotopverbunds hingewiesen. Diese stehen auch in den Downloads zur Verfügung
Zwischenzeitlich wurden vom Fachbüro die weiteren erforderlichen Unterlagen für das Maßnahmenkonzept erstellt. Diese bestehen nun aus einem Bestandsplan, dem Maßnahmenplan, einem Verbundachsenplan sowie einem Erläuterungsbericht. In einer abschließenden Beiratssitzung Anfang Oktober wurden diese Unterlagen nochmals mit dem Beirat besprochen und vorbehaltlich kleinerer diskutierter Änderungen und Ergänzungen beschlossen. Diese Änderungen und Ergänzungen wurden in die Unterlagen eingearbeitet. Der Gemeinderat hat die Unterlagen in seiner Sitzung am 23.10.2024 beschlossen. Der Beschluss wurde jedoch unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit der Maßnahmenumsetzung gefasst.
Die Biotopverbundplanung umfasst den Bestandsplan, den Maßnahmenplan, einen Verbundachsenplan sowie einen Erläuterungsbericht:
a) Bestandsplan
Mit Hilfe der Biotopkartierung und der FFH-Mähwiesenkartierung aus dem Jahr 2022 wurde auf Basis der Geländebegehungen ein Bestandsplan erstellt. Darin sind bestehende Kernflächen und Trittsteinbiotope dargestellt. Darüber hinaus lassen sich dem Bestandsplan Fundpunkte ausgewählter Zielarten wie beispielsweise die Gelbbauchunke, der Hirschkäfer oder der Kiebitz entnehmen. Diese wurden unter anderem durch Angaben von Gebietskennern ermittelt und bei der Entwicklung des Maßnahmenkonzeptes berücksichtigt.
b) Maßnahmenplan
Kernstück des gesamten Maßnahmenkonzeptes ist der Maßnahmenplan. Dieser visualisiert die ungefähre Lage der ausgearbeiteten Maßnahmenempfehlungen. Die Maßnahmen sind unterteilt in flächig dargestellte Erhaltungsmaßnahmen für bereits bestehende Kernflächen und Trittsteine und in schraffiert dargestellte Entwicklungsmaßnahmen für zu entwickelnde oder zeitnah wiederherstellbare Kernflächen und Trittsteine. Darüber hinaus sind Schwerpunkträume für spezifische Artenschutzmaßnahmen auf Grund bekannter Vorkommen oder eines hohen Entwicklungspotenzials der jeweiligen Arten verortet. Insgesamt sind 433 verschiedene Maßnahmenvorschläge im Maßnahmenplan enthalten. Besonders zu beachten ist, dass die Darstellungen im Maßnahmenplan nicht flächenscharf sind. Der Flächenbedarf bzw. die genaue Lage von Maßnahmen ist im Rahmen einer vertiefenden Prüfung und Planung von Einzelmaßnahmen zu erörtern. Aus dem Maßnahmenplan ergeben sich drei Schwerpunktbereiche:
Naturschutzgebiete Berger Weiher, Schönmoos und Schachried
Im Bereich der Naturschutzgebiete Berger Weiher, Schönmoos und Schachried sind insbesondere Maßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung von Streuwiesen, artenreichem Grünland, Feuchtwiesen sowie Fließgewässern vorhanden. Darüber hinaus gibt es dort hohe Vorkommen einiger Zielarten wie Ameisenbläuling, Helm-Azurjungfer oder Warzenbeißer, die durch artspezifische Maßnahmen geschützt und erhalten werden sollen.
Nonnenbach
Entlang des Nonnenbachs sieht der Maßnahmenplan vor allem Gewässerunterhaltungs-maßnahmen, Maßnahmen zur Entwicklung artenreichen Grünlands, die Einführung einer extensiven Grünlandbewirtschaftung (Verzicht auf Dünge- und Pflanzenschutzmittel) sowie die Entwicklung von Saumstreifen zur Reduzierung des Nährstoffeintrags in das Gewässer vor.
Iriswiese/Boschach
Im Bereich Iriswiese/Boschach sind vor allem Maßnahmen zur Entwicklung von artenreichem Grünland, der Erhalt und die Neupflanzung von Streuobstwiesen sowie die Fortsetzung der regelmäßigen Streuwiesenmahd dargestellt. Darüber hinaus werden im Bereich der Feuchtstandorte der Erhalt von Feuchtgrünland sowie die Offenhaltung und Neuanlage von Tümpeln vorgeschlagen. Auch der Erhalt und Schutz des naturnahen Bodenseeufers und seiner Flachwasserzone wird berücksichtigt.
c) Verbundachsenplan
Diese Schwerpunktbereiche spiegeln sich auch im Verbundachsenplan der Biotopverbund-planung wider. Der Verbundachsenplan dient als Ergänzung zum Maßnahmenplan und stellt die groben Verbindungsachsen zwischen den Schwerpunkträumen dar, die auch über das Bearbeitungsgebiet hinaus die Verbindung zu angrenzenden Biotopverbundplanungen herstellen sollen.
d) Erläuterungsbericht
Der Erläuterungsbericht ist die textliche Erläuterung des Maßnahmenkonzeptes. Er enthält Ausführungen zum Anlass und Ziel der Biotopverbundplanung, zur Methodik, zu den Zielarten und zu den einzelnen Maßnahmen. Darüber hinaus wurde eine Maßnahmenliste mit allen Maßnahmenvorschlägen erstellt. Zehn Maßnahmen bzw. Maßnahmenkomplexe wurden zu einem detaillierteren Steckbrief ausgearbeitet. Hierbei lag der Fokus auf Maßnahmen, welche wirtschaftlich realistisch und zeitnah umgesetzt werden können. Die Ausarbeitung einer bestimmten Maßnahme als Steckbrief begründet jedoch keinen Anspruch auf vorrangige Umsetzung. Sollten Eigentümer und bzw. oder Bewirtschafter der vorgeschlagenen Maßnahme nicht zustimmen, wird diese zurückgestellt. Unabhängig von den Steckbriefen kann auch jede andere Maßnahme aus der Maßnahmenliste umgesetzt werden.
Zur Unterstützung und Koordinierung der Biotopverbundplanung und -umsetzung wurden in allen Landkreisen Biotopverbundbotschafter bei den Landschaftserhaltungsverbänden eingesetzt. Diese haben unter anderem die Aufgabe, die Umsetzung der Biotopverbundplanung voranzutreiben. So wird der Biotopverbundbotschafter nach Genehmigung der Biotopverbundplanung mit Maßnahmenvorschlägen auf betroffene Flächeneigentümer zugehen, Möglichkeiten aufzeigen und bei Interesse beraten. Die Eigentümer haben aber auch die Möglichkeit, sich gegen eine Umsetzung zu entscheiden, da die Maßnahmenumsetzung nach wie vor freiwillig ist. Gleichzeitig wird die Gemeinde zukünftig die Biotopverbundplanung in ihre Planungen integrieren und Maßnahmenvorschläge auf gemeindeeigenen Flächen prüfen und geeignete Maßnahmen umsetzen.
Erstellung einer Biotopverbundplanung für das Gemeindegebiet
Zur Stärkung der Artenvielfalt hat die Gemeinde eine Biotopverbundplanung erstellen lassen. In die Planung wurden Naturschutzverbände gleichermaßen einbezogen wie die Landwirtschaft.
2021
2024
Information
Bildung eines Arbeitskreises mit Vertretern aus Naturschutz und Landwirtschaft
Anhörung von Naturschutzverbänden
Anhörung der Landwirtschaft
Informationsveranstaltung am 16. Oktober 2023
ca. 50.000 Euro
Abgeschlossen
Sachgebiet Bau- und Umweltverwaltung
Amt für Gemeindeentwicklung und Bauwesen
Gemeinde Kressbronn a. B.
Hauptstraße 19
88079 Kressbronn a. B.
07543 9662-37
rathaus@kressbronn.de